SPIEL’ 22 “historische” Neuheiten und Aktionen

In der letzten Zeit war es vergleichsweise ruhig auf unserem Blog und das hat natürlich seine Gründe: Nicht nur eröffnete Ende August die Ausstellung “Mönch ärgere dich nicht – kriegerische Nonnen, trinkfeste Brüder und geheimnisvolle Klöster im Spiel”, die unser Projekt als offizieller Kooperationspartner zusammen mit dem Museum Abtei Liesborn gestaltet hat, sondern auch die SPIEL rückt immer näher. Dieses Jahr haben wir dabei die Ehre, den ersten offiziellen Research Day unter dem Titel “Brettspielforschung in Deutschland” auszurichten. Für uns ist es das erste Ereignis dieser Größenordnung und entsprechend waren wir gut beschäftigt. Trotzdem haben wir es uns nicht nehmen lassen, unsere Aktion aus dem letzten Jahr zu wiederholen. Viel zu kurzfristig haben wir Menschen aus dem Umfeld des Boardgame Historian angefragt, auf welche Neuheiten auf der SPIEL mit historischen Referenzen sie sich besonders freuen. Das Ergebnis seht ihr nun hier:

Anna Falke (klassische Archäologin)

Aeolos, SPIEL DAS! Verlag (Halle 2/2A101), 2-4 Spieler:innen, ca. 60 Minuten Spielzeit

In Aeolos treten wir als Seefahrer:innen in den Wettstreit gegeneinander und wollen die meiste Gunst der Gottheiten erlangen. Der namensgebende Aeolos ist der Herrscher über die Winde, dessen launischen Winden wir ausgesetzt sind und dem wir Opfer in Tempeln darbringen müssen.

Die vielschichtige griechische Mythologie finde ich sehr faszinierend und bin gespannt, wie diese in dem Spiel umgesetzt worden ist. Als großer Worker-Placement-Fan hoffe ich, dass der Mechanismus gut mit der Thematik zusammenwirkt.

Lukas Boch (Historiker/Schwerpunkt Mittelalter)

Deal with the Devil, Czech Games Edition (Halle 1/1D139), 4 Spieler:innen, 120-150 Minuten Spielzeit

Deal with the Devil ist nach Angaben der Herausgeber ein thematisches Eurogame (eigentlich ein Oxymoron), das in einer mittelalterlichen Fantasywelt angesiedelt ist. Die Spieler:innen übernehmen die Leitung eines von vier Königreichen, die alle durch das Errichten beeindruckender Bauwerke das „finstere“ Mittelalter hinter sich lassen wollen.

Doch zusätzlich zu diesem allgemeinen Ziel gibt es auch noch drei geheime Rollen. Neben zwei einfachen Sterblichen gibt es noch einen Kultisten und den Teufel höchstpersönlich. Während des Spiels ist es den Sterblichen möglich, im Austausch gegen ihre Seele Reichtum vom Teufel zu erhalten. Doch aufgepasst, die Kirche und ihre Inquisition ist wachsam! Als Kirchenhistoriker begeistert mich die ästhetische Dimension und ich freue mich sehr darauf, den Autor nach der Entstehungsgeschichte des Spiels zu fragen.

Mathias Herrmann (Historiker/Fachdidaktiker)

Bretwalda, PHALANX (Halle 2/2A125), 1-4 Spieler:innen, ca. 120 Minuten Spielzeit (erscheint voraussichtlich erst 2023)

Bretwalda ist eines der Spiele, die durch und durch Geschichte atmen. Angefangen bei einem wunderbaren Spielbrett, über tolles Material bis hin zu den Spielregeln kann man gar nicht anders, als in das England des Jahres 796 förmlich hineingesogen zu werden. Durch den Aufbau des eigenen Reiches und in der Auseinandersetzung mit anderen Spieler:innen versucht man, zum “weithin Herrschenden” (Bretwalda) König über England aufzusteigen. Natürlich (oder leider) haben auch die anderen angelsächsischen Fürsten da noch ein Wörtchen mitzusprechen und am Horizont kündigen erste Drachenbote bereits einen neuen, unerwarteten Gegner an.

Der raffinierte Mix aus Aufbau, Worker-Placement, Area Control und einer Prise Rollenspiel (immerhin gibt es unterschiedliche Mitglieder des Königshauses, nebst einer Nachfolgereglung) begeistert mich jetzt schon sehr.

Jörg Luibl (Historiker/Journalist)

Terracotta Army, Board & Dice (Halle 2/2C130): Spieler:innen 1-4; Spielzeit: 90-120 Minuten;

In Terracotta Army geht es um die bekannten Tonkrieger, die in frühchinesischen Grabanlagen wie ein Geisterheer auf ihren Ruf warten. Und zumindest auf dem Tisch kann ich einige davon als Miniaturen erwecken. Allerdings nicht als Feldherr, sondern als Baumeister in einem Arbeitersetzspiel. Wer das Ressourcen-Management und etwas Gebietskontrolle im Mausoleum am besten meistert, wird die Gunst des Kaisers und damit das Spiel gewinnen.

Jens Reiffersberger (Historiker)

Downfall of Empires, Do it games (Halle 5/5C125), 2-4 Spieler:innen, 120-180 Minuten Spielzeit

Im November 2022 soll Downfall of Empires erscheinen. Das Spiel bietet 2 bis 4 Spieler:innen die Möglichkeit, den Ersten Weltkrieg nachzustellen. Dabei versuchen die Mitspieler:innen zu gewinnen, indem sie die Gebiete der anderen Spieler:innen einnehmen. Neben dem einfachen Manövrieren der eigenen Truppen hat jede:r Spieler:in allerdings auch die Möglichkeit, Befestigungen zu bauen, Diplomatie zu betreiben oder neue Technologien zu erforschen. Ich, der ich Geschichte und Literatur an der Universität Bielefeld studiert und mich zuletzt besonders mit der Zeit des Kaiserreichs beschäftigt habe, finde das Konzept von Downfall of Empires daher sehr interessant. Es ist faszinierend zu sehen, wie ein so großes historisches Ereignis wie der Erste Weltkrieg in einem vergleichsweise simplen Spiel dargestellt wird.

Clio’s Board Games (Historiker)

Dutch Resistance: Orange Shall Overcome!, Liberation Game Design (Halle 4/4I113), 1-5 Spieler:innen, 60-90 Minuten Spielzeit

Dutch Resistance widmet sich dem niederländischen Widerstand gegen die Nazis auf eine sehr persönliche Art: Alle spielbaren Charaktere dieses kooperativen Spiels basieren auf realen Personen (eine davon die vor einigen Jahren verstorbene Großmutter des Autors). Der kooperative Charakter des Spiels wird durch seinen Aktionspunktmechanismus unterstrichen: In jedem Zug muss ein Aktionspunkt an einen anderen Charakter abgegeben werden. Die Kombination aus knapp bemessenen Aktionen, überschaubarer Spieldauer und dem Thema des zivilen Widerstands gegen einen übermächtigen Unterdrückungsapparat erinnert an Days of Ire.

Dutch Resistance war unter den Finalisten für den Zenobia Award. Auf der SPIEL wird Dutch Resistance als Demo gezeigt (und kann von Backer:innen des Kickstarters abgeholt werden); in den Verkauf geht es kurz nach der Messe.

Daniel Wüllner (Literaturwissenschaftler)

Resist!, Salt & Pepper Games (Halle 4/4I116), 1 Spieler:in, 20-40 Minuten Spielzeit

Widerstand leisten gegen Francos Regime. In Resist! von David Thompson, Trevor Benjamin (Undaunted: Normandy) und Roger Tankersley übernimmt ein:e Spieler:in die Rolle des Spanischen Maquis in den Jahren 1944 bis 1952. In dieser Zeit kämpften diese Partisanen gegen Francos Truppen. Im Spiel müssen die Rebellen in mehreren Runden spanische Stützpunkte übernehmen. Dazu legt der:die Spielende Figurenkarten aus. Auf denen sind einfache Bürger:innen abgebildet, die Angriffe entweder planen oder durchführen. Resist! ist aber keine Patience mit historischem Hintergrund. Die Entscheidungen, ob ein:e Widerstandskämpfer:in seine:ihre Identität preisgibt – und somit aus dem Spiel ist – fühlen sich wie echte Opfer gegen einen übermächtigen Feind an.

Michael Kleu (Althistoriker und Phantastikforscher)

Discordia, Irongames (Halle 2/2F107), 1-4 Spieler:innen, 70 Minuten Spielzeit

In Discordia schlüpfen die Spieler:innen in die Rolle eines römischen Statthalters am von den Germanen bedrohten Rhein. Die Aufgabe besteht darin, eine Stadt innerhalb von maximal vier Jahren zur größtmöglichen Blüte zu bringen, um sich auf diese Weise das Wohlwollen der kaiserlichen Familie in Person von Agrippina und ihrem Sohn Nero zu sichern.  

Das Spiel spricht mich an, weil es zeitlich in der römischen Antike und geografisch am Rhein angesiedelt ist. Somit geht es um die antike Geschichte meiner Herkunftsregion, wobei in Form von Agrippina eine der schillerndsten Töchter der Stadt Köln prominent vertreten ist. Antike, Rheinland, Agrippina (und natürlich auch Nero) bilden zusammengenommen eine Mischung, der ich sicherlich nicht widerstehen können werde.

Uli Blennemann (Verleger und Historiker)

War of the Ring: The Card Game, Ares Games (Halle 3/3F101), 2-4 Spieler:innen, 90-120 Minuten Spielzeit

Ich bin einfach gespannt!

Dieser Aussage von Uli können wir nichts hinzufügen. Gedanklich streifen wir schon durch die weitläufigen Messehallen in Essen. Wir freuen uns auf nette Leute, spannende Gespräche und natürlich tolle Spiele. Wir sehen uns!

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